Glückliche Tage

Es gibt in der Theaterliteratur keine tragischere und zugleich komischere Metapher für die Beschränktheit bürgerlichen Daseins: Winnie ist bis zur Hüfte bzw. bis zum Hals auf der Bühne „eingegraben“, Willie agiert weitgehend nur als Stimme hinter einer Wand. Doch Beckett belässt es nicht bei der vernichtenden Wirkung seines Bildes. Denn das Paar verlebt – der Stücktitel ist gar nicht ironisch – durchaus glückliche Tage. Es scheint die Beschränkungen seiner Situation nicht zu bemerken. In diesem drastischen Urteil über die Gesellschaft wird zugleich, deutlicher als in manch anderem Beckett-Stück, eine tiefe Liebe zum Menschen sichtbar, ein fast religiöses Mitgefühl mit seiner aussichtslosen Lage und ein Denkmal seines absurden Daseinskampfes, der noch den traurigsten Umständen ein ebenso bescheidenes wie erfüllendes Glück abzuringen vermag – und sei es durch größtmögliche Verdrängung.

Es sind die herausfordernden und uneindeutigen Rollen, die Sophie Rois bevorzugt. Dabei gelingt ihr ein subtiles Gleichgewicht zwischen Innigkeit und Exzentrik, was sie in zahlreichen Kino- und Fernsehfilmen und seit 1993 an der Berliner Volksbühne in Inszenierungen von Frank Castorf und Herbert Fritsch beweist. Für ihre Theaterarbeit wurde Rois 2012 mit dem Theaterpreis Berlin ausgezeichnet; im selben Jahr ehrte sie das Magazin Theater heute als Schauspielerin des Jahres. 2011 erhielt sie die Goldene Lola für ihre Rolle in Tom Tykwers Erotikdrama „Drei“.

von Samuel Beckett
Szenische Lesung mit Sophie Rois
eingerichtet von Gerhard Ahrens