Halpern und Johnson

Die Liebe macht blind, das gilt unter Umständen sogar zeitlebens. Selbst in zutiefst vertrauensinnigen Partnerschaften überlebt bisweilen eine eingefleischte Verschwiegenheit, ein Rest an Eigenleben, das sich jeder der Partner heimlich bewahrt hat. Dies erfährt auch Halpern, als er nach fünfzig Jahren Ehe am Grab seiner Frau einen älteren Herren antrifft, der bekennt, mit dieser Frau über all die Jahre eine tiefe Freundschaft gepflegt zu haben. Es war keine „Affäre“, sondern eine Freundschaft, die die beiden verband. Doch warum wurde sie geheimgehalten? Diese Frage stellt 50 Jahre Ehe auf den Prüfstand. Die Lage ist ungemütlich, doch alles in allem reagieren die beiden Protagonisten lebensklug aufeinander. Und es bleibt auch gar nichts anderes übrig, denn die einzige, der man ernsthaft einen Vorwurf hätte machen können, liegt leider unter der Erde – und hätte vielleicht im Übrigen an den beiden Figuren in ihrer rührenden Hilflosigkeit auch ihren Spaß gehabt. Udo Samel und Gerd Wameling haben schon sehr oft zusammen auf der Bühne gestanden und sind miteinander vertraut bis in die feinsten Nuancen ihres Spiels. In den pointierten Dialogen halten sie gekonnt die Balance zwischen Drama und Komödie und sind, mit einem Wort, eine Idealbesetzung.

von Lionel Goldstein 
Szenische Lesung mit Udo Samel und Gerd Wameling
eingerichtet von Gerhard Ahrens und Bernd Kauffmann