Wer hat Angst vor Virginia Wolf?

Das Stück „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ ist ein Klassiker der Ehekriegs-Literatur. Dazu wurde es durch die schonungslose Offenheit, mit der Edward Albee nicht nur die intime Feindschaft der beiden Eheleute bloßlegt, sondern auch das perfide Arrangement einer modernen Zweckehe, die ihren Zweck leider nicht erfüllte. Georges Aufstieg in der College-Hierarchie blieb aus – wozu, zum Teufel, hatte Martha ihn dann überhaupt geheiratet?

Das junge Paar, das zu nächtlicher Stunde auf der Szene erscheint, lebt noch in einer gewissen Illusion von Lebensglück und Liebe. Doch auch hier ist der typische Verlauf schon angelegt. Der imaginierte „Sohn“ von Martha und George entspricht in einem frühen Stadium Honeys „Scheinschwangerschaft“, und dass ihr Vater vermögend ist, könnte sich später doch noch als das eigentliche Motiv ihrer Heirat erweisen. Diese synchrone Darstellung eigentlich zeitversetzten Geschehens ist einer der Geniestreiche des Stückes, in dem sich die amerikanische Mittelschicht seinerzeit unangenehm gut getroffen fand.

von Edward Albee
in der Übersetzung von Pinkas Braun, durchgesehen von Bernd Wilms
Szenische Lesung mit Iris Berben, Katharina Schüttler, Shenja Lacher und Thomas Thieme
eingerichtet von Gerhard Ahrens